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30.08.2019 - Stellungnahme der LAG Hessischer Frauen- und Gleichstellungsbüros zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE "Hessisches Gesetz zum Schutz der Rechte von schwangeren Frauen bei Schwangerschaftsberatung und -abbruch"

Stellungnahme der LAG Hessischer Frauen- und Gleichstellungsbüros zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE

Hessisches Gesetz zum Schutz der Rechte von schwangeren Frauen bei Schwangerschaftsberatung und -abbruch
-Drucksache 20/384-

Sehr geehrter Herr Heinz,

 

die Landesarbeitsgemeinschaft der Hessischen Frauen- und Gleichstellungsbüros gibt folgende Stellungnahme zu dem o. a. Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE ab:

 

Die Landesarbeitsgemeinschaft der Hessischen Frauen- und Gleichstellungsbüros (LAG) begrüßt alle Regelungen zum Schutz der Rechte von schwangeren Frauen bei Schwangerschaftsberatung und Schwangerschaftsabbruch. Um die im Schwangerschaftskonfliktgesetz vorgegeben Rahmenbedingungen einhalten und gewährleisten zu können, ist die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage dringend vonnöten.

 

Fakten sind u. a.

  • Frauen sind nach dem Strafgesetz verpflichtet, eine Schwangerschaftskonfliktberatung in Anspruch zu nehmen. Laut Gesetz muss diese in einer vertrauensvollen Atmosphäre und un- ter keiner Einflussnahme von außen stattfinden. (§5 Abs. SchKG).
  • Mitarbeiter*innen der anerkannten Beratungsstellen müssen den rechtlich vorgeschriebenen Beratungsauftrag unbeeinträchtigt erfüllen können.
  • Praxen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, müssen in ihrer Berufsausübung geschützt werden.

 

Die LAG spricht sich für das körperliche und sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Frauen aus. Nur die Frau selbst kann entscheiden, ob sie sich für ein Kind oder dagegen entscheidet. Aufgabe des Staates muss es sein, dafür menschenwürdige und diskriminierungsfreie Rahmenbedingungen zu schaffen.

 

Da schwangere Frauen gesetzlich zur Beratung verpflichtet sind, muss der Gesetzgeber aus Sicht der LAG dafür Sorge tragen, dass die betroffenen Frauen diese Vorgaben ohne Beeinträchtigung, moralischen Druck und Diskriminierung erfüllen können. Diese Rahmenbedingungen werden durch die wiederkehrenden Mahnwachen sogenannter „Lebensschützer“ vor Schwangerenberatungs- stellen, Kliniken und Praxen beschnitten. Für die Frauen, die in der Pflicht sind, eine Schwangerenberatungsstelle aufsuchen zu müssen und sich ohnehin in einer belasteten Situation befinden, be- deutet die Belagerung dieser Beratungsstelle eine unzumutbare Härte.

 

In der Praxis stellt sich die Situation folgendermaßen dar: Mahnwachen sogenannter „Lebensschützer“ belagern bundesweit Beratungsstellen und üben auch in Hessen, u.a. in Gießen und Frankfurt a.M., mit Gebeten und Bildern massiven moralischen Druck auf Frauen und Mitarbeiter*innen der Beratungsstellen aus.

 

Der Druck auf Ärzt*innen, die in Praxen und Kliniken Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, nimmt ebenfalls zu. In der Konsequenz sind immer weniger Ärzt*innen bereit, sich der Diffamierung und Bedrohung durch sogenannte „Lebensschützer“ auszusetzen. Wird die Arbeit der Ärzt*innen nicht geschützt, droht sich die ohnehin schon schlechte Versorgungslage auch aus diesem Grund weiter zu verschärfen. Schon jetzt ist die gynäkologische Versorgung, besonders in ländlichen Gebieten, sehr angespannt.

 

Wird das Versammlungsrecht über die Persönlichkeitsrechte der Frauen gestellt, hat dies also auf mehreren Ebenen weitreichende Folgen.

 

Der vorliegende Gesetzentwurf könnte hier Rechtssicherheit schaffen.

 

Auch die Landesregierung hat sich dies im Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode zum Ziel gesetzt: „Frauen in einer Schwangerschaftskonfliktsituation brauchen Rat und Unterstützung statt Diskriminierung und Drangsalierung. Ihnen muss ein unbedrängter, diskriminierungsfreier und unbeeinflusster Zugang zur Beratung offenstehen. Auch beratende Ärztinnen und Ärzte sowie Institu- tionen dürfen nicht gegängelt werden. Wir werden deshalb die rechtlichen Möglichkeiten prüfen, um diesen diskriminierungsfreien Zugang zu gewährleisten und dabei auch einen Schutz von Demonstrationen im Umkreis von 150 Metern um die Beratungsstellen einbeziehen.“

 

Den politischen Willen zur Umsetzung einer 150 m Schutzzone gibt es. Einige Städte haben reagiert, wie in Darmstadt und Frankfurt, hier liegen Stadtverordnetenbeschlüsse für eine 150 m Schutzzone vor. Die Umsetzung scheiterte bisher an der fehlenden gesetzlichen Grundlage.

 

Außerhalb Hessens gibt es schon konkrete Erfolge. Das Ordnungsdezernat der Stadt Pforzheim hatte verfügt, dass die Versammlung der Abtreibungsgegner*innen nur außerhalb direkter Sichtbeziehung zum Gebäudeeingang von profamilia durchgeführt werden. Dies wurde durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe bestätigt: „Zwar seien die Versammlungsfreiheit sowie die Meinungs- und Religionsfreiheit der Antragstellerin grundrechtlich garantiert. Die Versammlung führe in ihrer beabsichtigten konkreten Gestaltung aber zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts insbesondere derjenigen Frauen, die sich in einer Schwangerschaftskonfliktsituation befänden und deshalb die Schwangerschaftsberatungsstelle von profamilia aufsuchen sollten. Weiter würde mit der über mehrere Wochen geplanten, blockadeartigen Versammlung in unmittelbarer Nähe zum Eingang der anerkannten Beratungsstelle auch das Beratungskonzept des Schwangerschaftskonfliktgesetzes nachhaltig beeinträchtigt. Dies stelle eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar, welche die Beschränkung rechtfertige.“ (Pressemittelung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27.03.2019)

 

Diesem juristischen Weg, der eine Mahnwache außerhalb direkter Sichtbeziehung vorsieht, sollte nach Ansicht der LAG auch in Hessen gefolgt werden. Die LAG hofft auf eine kurzfristige und zielführende Lösung zum Schutz der Frauen und für die uneingeschränkte Ausübung der professionellen Tätigkeiten in Schwangerenberatungsstellen, Ärztlichen Praxen und Kliniken.

  

Mit freundlichen Grüßen 

 

Britta Heblich

- für das Sprecherinnengremium der Landesarbeitsgemeinschaft Hessischer Frauen- und Gleichstellungsbüros -




Die Stellungnahme der LAG Hessischer Frauen- und Gleichstellungsbüros zum Gesetzentwurf finden Sie hier als pdf-Datei.